Es bleibt bemerkenswert, dass das Wissen der indigenen Völker, wie es von James Koots vermittelt wurde, nicht nur spiritueller Natur ist, sondern auch überliefertes Wissen zu historischen Ereignissen und gesellschaftlichen Entwicklungen enthält. Diese Überlieferungen zeigen eine eindrückliche Fähigkeit zur Erinnerung – nicht im Sinne dokumentarischer Chronologie, sondern als lebendige, erlebte Geschichte. Sie spiegeln eine Kultur wider, in der Erinnerung ein kollektiver, spirituell verankerter Akt ist – getragen von Ritualen, Symbolen und Spezialwissen in den Familien.
Im Gegensatz zur westlichen Geschichtsschreibung, die auf schriftlicher Fixierung, Objektivität und Überprüfbarkeit basiert, lebt das indigene Geschichtsverständnis vom Weitererzählen, Verstehen und Einfühlen. Es ist relational, nicht distanziert – und gerade deshalb in der Lage, existentielle Dimensionen der Menschheit zu bewahren. Für mich persönlich war es eine zutiefst berührende Erfahrung, diesem anderen Zugang zu Geschichte zu begegnen – einem Zugang, der nicht trennt, sondern verbindet.
Die Hopi haben eine einzigartige und komplexe Form der Wissensweitergabe, die sich deutlich von vielen anderen indigenen Völkern unterscheidet. Ihre Traditionen basieren nicht nur auf Tanz und Zeremonie, sondern auch auf tief eingebetteten rituellen Systemen innerhalb von Familien und Clans. Die Wissenschaft hat mehrere Aspekte dieser Überlieferungsformen untersucht:
Zentrale Rolle von Ritualen und Spezialwissen in Familien: Die Hopi überliefern ihr kulturelles Wissen über komplexe rituelle Strukturen, in die Einzelpersonen ein Leben lang durch Initiationen und Trainings eingeführt werden. Besonders detailliertes Wissen liegt bei bestimmten Führungsfiguren (wimmomngwit), die ihre Rolle meist innerhalb von Familien oder Clans vererben. Dieses Wissen wird nicht öffentlich verbreitet, sondern durch spezielle soziale Mechanismen innerhalb der Gemeinschaft geschützt und weitergegeben (Głowacka, 1998).
Orale Tradition auf Basis von Zeremonien und Orten statt reiner Abstammung: Hopi-Clans organisieren sich nicht nur über lineare Abstammung, sondern als sogenannte „Häuser“ (nach Lévi-Strauss), die durch den Besitz und die Durchführung bestimmter Zeremonien definiert sind. Die Weitergabe erfolgt über rituelle Kontrolle und Performanz an spezifischen heiligen Orten, was eine Form der topologischen statt genealogischen Tradierung darstellt (Bernardini, 2008).
Tänze und Kachina-Tradition als öffentlich sichtbare Überlieferungsform: Während geheimes Wissen innerhalb bestimmter Gruppen weitergegeben wird, nutzen die Hopi öffentliche Tänze und die symbolträchtigen Kachina-Figuren als vermittelnde, spirituell bedeutende Kommunikationsform. Diese dienen sowohl der Erziehung als auch der rituellen Erneuerung (Duran, 2015).
Wissen als Teil spiritueller und moralischer Verantwortung: Das Erlernen und Weitergeben von Wissen ist bei den Hopi mit moralischer Reife, spiritueller Reinheit und sozialer Verantwortung verknüpft. Wissensträger werden als ethische Vorbilder betrachtet (Głowacka, 1998).
Koexistenz und Spannungsfeld zwischen gelebter Tradition und modernen Institutionen: Die Hopi haben auch Mechanismen entwickelt, um traditionelle Wissenssysteme in moderne institutionelle Strukturen wie ihre eigene Gerichtsbarkeit zu übertragen, wobei Tradition als aktives juristisches Element verstanden wird (Richland, 2008).
Fazit: Die Wissensweitergabe bei den Hopi basiert auf einem dichten Netz aus rituellen, familiären und öffentlichen Praktiken, das sowohl geheimes Spezialwissen als auch gemeinschaftlich geteilte Erfahrungen wie Tänze integriert – ein System, das sich deutlich von anderen indigenen Traditionen abhebt.
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